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to play dead
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Sofern dem Film lediglich semiologische Eigenschaften
wie Narration, Filmsprache und Aussage zugesprochen werden, stellen diese
dessen visuelles Potential in Frage. Unter welchen Gesichtspunkten trägt
eine filmsemiotische Untersuchung allein zum Verständnis von Film
bei, während sie doch zB unter einem Autorenbegriff geführt,
eine bestimmte Auffassung des Zeichens, nicht nur des Filmes, unterschlägt?
Wie also verhält sich die Schrift, die Sprache, das Schreiben des
Autors zur Filmproduktion und -rezeption und inwiweit taugen diese Begriffe
überhaupt zur Untersuchung von Film?
Roland Barthes | Tod des Autors
Mit dem kurzen Aufsatz “Der Tod des Autors” wendet sich Barthes
gegen die naive Identifikation von Werkbedeutung und Autorbiographie,
die dem in der Literaturwissenschaft angewandten Verfahren der “explication
du texte”, also dem Versuch, eine Korrespondenz zwischen Autorbiographie
und Werkbedeutung herzustellen, widerspricht. Indem Barthes vom Text als
einem “Gewebe von Zitaten” spricht, bringt er die vermeintliche
Autonomie der künstlerischen Kreativität zum Verschwinden, ohne
jedoch auf den Autor, den er für die Kompilation der Schrift (ecriture)
verantwortlich macht, zu verzichten. Damit nähert sich Barthes Text
der Theorie Julia Kristevas, in der der Begriff Intertextualität
entwickelt wird.
In der Schrift, die sich über jegliche Ursprungserfahrung hinwegsetzt,
wird jede Stimme zerstört, die sich noch an der performativen Äusserung
und an der Autorität des Sprechers gebunden bleibt, so Barthes.
Barthes These wird in einem Beispielsatz aus Balzacs Novelle Sarrasine
über einen als Frau verkleideten Kastraten illustriert:
“Das war die Frau mit ihren plötzlichen Ängsten, ihren
grundlosen Launen, ihren unwillkürlichen Verwirrungen, ihren unmotivierten
Kühnheiten, ihren Wagnissen und ihrer reizenden Zartheit der Gefühle.”
Die Frage, wer hier spricht, lässt sich nicht einfach beantworten.
Sprecher kann der Held der Novelle sein, der den Kastraten ignoriert welcher
sich hinter der Frau verbirgt, es kann das Individuum Balzac mit seiner
persönlichen Philosophie über das Weibliche sein, es könnte
die Weisheit schlechthin sein oder einfach nur als romantische Psychologie
eines Schwärmers abgetan werden.
Sobald ein Ereignis erzählt wird, vollzieht sich eine Ablösung
von Text und Stimme, verliert die Stimme ihren Ursprung, stirbt die auktoriale
Autorität und beginnt die Schrift. Wenngleich auch anders aufgefasst,
stammt die Erzählung in archaischen Kulturen niemals von einer Person,
sondern von einem Vermittler (Schamanen, Erzähler) an dem die Ausführung
(performance), und zwar darin die Beherrschung des Erzählcodes bewundert,
niemals das “Genie”. Die Trennung von Person und Werk wurde
und wird nach wie vor im Glauben an den Wert des Individuums bzw der menschlichen
Person einzuebnen versucht. Die Kritik vernachlässigt in der Erklärung
des Werkes durch dessen Urheber (Bsp im Werk van Goghs schlägt sich
dessen Verrücktheit nieder und wird dadurch erst erklärbar)
die Sprache (langage), die dem Autor erst ermöglicht bzw gegeben
sein muss, und derer er sich bemächtigt. Nach Barthes ist es die
Sprache, die spricht, nicht der Autor. Schreiben ist folglich nur mit
Hilfe einer unverzichtbaren Unpersönlichkeit möglich, wo nicht
“ich” sondern die Sprache “handelt”. Jenseits
der von den Surrealisten popularisierten Methode der “ecriture automatique”,
die auf das Durchkreuzen von Sinnerwartungen setzt, unterminierte deren
unmittelbare Subversion von Codes die souveräne Stellung des Systems
Sprache.
Der Autor ist hier - wie auch die analytische Linguistik behauptet - lediglich
die Person, die schreibt, genauso wie “ich” niemand anderes
ist, als derjenige, der “ich” sagt. Die Sprache kennt ein
Subjekt, aber keine Person. Das reicht, um in der Aufhebung von “vorher”,
dem auktorialen Schreiben, und “nacher”, dem Lesen, den Autor
verschwinden zu lassen und von einer wirklichen Distanzierung sprechen
zu können - der Autor wird zur Nebenfigur des “Werkes”.
Wenn überhaupt, knüpft sich die Funktion des Autors an den Moment,
wie der Text entsteht. Es gibt daher keine Verspätung, die betont
werden müsste, an deren “Form” noch gearbeitet werden
müsste.
“Stattdessen zeichnet die Hand des Autors, abgelöst von jeder
Stimme und geführt von einer reinen Geste der Einschreibung (nicht
des persönlichen Ausdrucks), ein Feld ohne Ursprung, oder jedenfalls
ohne anderen Ursprung als der Sprache selbst, also dasjenige, was unaufhörlich
jeden Ursprung in Frage stellt”.
Wo also im ewigen Selbstmisverständnis von Tagebuchfilmern und Filmautoren
Person und Werk verschmolzen wird, gähnt offensichtlich ein Abgrund,
den zu tilgen diese Subjekte zu jeder Blödheit bereit zu sein scheinen.
“Heute wissen wir, daß ein Text nicht aus einer Reihe von
Wörtern - und in diesem Zusammenhang einer Reihe von Bildern - besteht,
die einen irgendwie theologenetischen Sinn enthüllt (welcher die
Botschaft des Autor Gottes wäre), sondern aus einem vieldimensionalen
Raum, in dem sich verschiedene Schreibweisen (ecritures), von denen keine
einzige originell ist, vereinigen und bekämpfen. Der Text ist ein
Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der Kultur”.
Die einzige Macht des Autors besteht darin, die Schriften zu vermischen
und sie mitneinander zu konfrontieren, ohne sichjemals auf eine einzelne
von ihnen zu stützen. Alles andere fiele in den Bereich der Ideologie
und eines dogmatischen Autorenbegriffs.
Die Abwesenheit des Autors zieht nach sich, daß dessen Text nicht
dechiffriert, sondern lediglich mehr oder weniger entwirrt werden kann.
Sobald ein Text einen Autor zugewiesen bekommt, wird er eingedämmt
und die Schrift in einer bestimmten Konfiguration angehalten. Diese Auffassung
kommt den Filmtagebuchmuseumswärtern sehr gelegen, die sich zur Aufgabe
setzen, den Autor (seine Hypostasen in Gesellschaft, in Geschichte, in
Psyche, in Freiheit) hinter dem Werk zu “entdecken”. Ist erst
der Autor gefunden, erklärt sich der Text oder gar Film von selbst.
Hingegen ist nach Auffasung von Barthes die Struktur eines Textes in allen
seinen Widerholungen und dem Nachvollzug auf all seinen Ebenen ernsthaft
nur ohne Anfang und Ende möglich.
“Der Raum der Schrift kann nur durchwandert, nicht durchstossen
werden”.
Doch sobald dieses erkannt ist, ist der Sinn auch schon wieder aufgelöst,
denn die Schrift, die dem Text ein Geheimnis verweigert, setzt eine permanente
Bewegung (Barthes: Tätigkeit) in Gang, die die Fixierung eines letzlichen
Sinns verweigert. Der Ort dieser Verweigerung ist nicht die Stimme oder
der Ursprung jeden Schreibens, sondern Barthes gemäß die Lektüre.
Im Leser kreuzt sich der aus mehrdeutigen Worten gewobene Text, die Vielfalt
der zusammengesetzten Schriften aus unterschiedlichen Kulturen, die miteinander
in Dialog treten, sich parodieren, sich in Frage stellen. Die Einheit
eines Textes, wollte man davon sprechen, läge daher nicht im Autor
sondern in multiplen Zielpunkten, wobei eben dieser Zielpunkt nicht als
Fluchtpunkt einer Person verstanden werden kann. Der Leser ist jemand,
der alle Spuren zusammensetzt, die das Geschriebene hinterlässt und
dies dem Autor in Funktion des vermittelnden Mediums verdankt.
Texte zur Theorie der Autorschaft, Reclam Stuttgart 2000, S.180-197
Michel Foucault | Was ist ein Autor?
In der Ausarbeitung der Frage, was ein Autor sei, bei der der Aufsatz
des französischen Philosophen Michel Foucaults nicht unwerwäht
bleiben darf, verlagert das textanalytische Verfahren der Diskursanalyse
Foucaults das Barthsche Diktum vom “Tod des Autors” zugunsten
einer gründlicheren Betrachtung von Schrift und Werk. Foucaults Methode,
Regeln unterschiedlicher anonymer Diskurse zu analysieren, mit deren Hilfe
Wissen systematisiert werden kann, fand daher nicht mehr nur in der Philosophie,
sondern auch in der Literaturwissenschaft, Psychologie, Geschichte und
anderen Geisteswissenschaften Niederschlag.
Texte werden nicht mehr auf die Absicht des Autors oder andere Bedeutungsinstanzen
hin analysiert, sondern daraufhin, welche Themen in welcher Weise behandelt
werden und welche Behandlungsweisen und welche Themen ausgschlossen sind.
Eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem angehören,
bilden einen Diskurs. Foucaults besonderes Interesse gilt zum einen den
Voraussetzungen, die in einer Epoche von allen Diskursen geteilt werden
und sie erst möglich machen, zu anderen den Mechanismen, die den
Auschluss regulieren.
Daß auch und gerade Begriffe wie der Autor, die Schrift oder das
Werk ebenso zu diesen Voraussetzungen zu zählen sind, wird in Foucaults
Analyse unter dreierlei Perspektiven deutlich: Der Autor als besondere
Funktionsweise des Eigennamens (1), die Autorfunktion, die einige Diskurse
hat, andere dagegen nicht (2), und Autoren als Diskursivitätsbegründer
(3). Diskurse, die Träger der Funktion “auktorial” (Autor)
sind, weisen Foucault gemäß vier Merkmale auf: 1) die Eigentumsbeziehung
zum Text, die seit Ende des 18.Jahrh. und Anfang des 19. Jahrh. mit der
Entstehung des Urheberrechtes juristisch codiert wurde; 2) die Autorfunktion
ist nicht für alle Diskurse einer Gesellschaft gültig. Im Mittelalter
zB wurden literarische Texte ohne Bezug auf einen Autor, naturwissenschaftliche
Texte hingegen mit Bezug auf einen Autor veröffentlicht und verwendet.
3) mithilfe des Autornamens können Einheiten konstruiert werden,
um einen begrifflichen oder theoretischen Zusammenhang zu verkürzen.
4) die Verwendung von Personalpronomen und Adverben der Zeit und des Ortes
verweisen nur vermeintlich auf den Autor oder den Akt des Schreibens -
sie zeigen eher eine Abspaltung des Sprecher-Ichs vom Schriftsteller und
ermöglichen dadurch erst die Begründung eines neuen Diskurses
bzw Bildungsgesetze für andere Texte, sofern der Leser zugleich auch
Autor wird.
Die Frage, ob gänzlich auf den Begriff des Autors verzichtet werden
kann, bleibt offen.
Im Aufsatz “Was ist ein Autor?”, den Foucault 1969 vor der
Französischen Gesellschaft für Philosophie hält, skizziert
er entlang der Problemstellung, welche Funktion der Autor innehat, folgende
vier Fragen:
Ist es möglich, den Autorennamen als festgelegte Verkürzung
zu vermeiden, obgleich er als gewöhnlicher Eigennamen ebensowenig
taugt? Wenn der Autor weder Eigentümer seiner Texte noch verantwortlich
dafür ist, wie kann dann von einer Urheberschaft gesprochen werden?
Was erlaubt, sofern einem Autor Geschriebenes zugeschrieben wird, vom
Werk sprechen zu können? Welche Position nimmt der Autor unter Verwendung
von Einschüben und Vorwörtern ein, welche Position hält
der Autor als Begründer eines Fachs, welche im Redefeld einer “Rückkehr
zu...” inne?
Auch Foucault, der mit seiner zweiten Veröffentlichung “Die
Ordnung der Dinge” (les mots et les choses) Wortmassen zu untersuchen
versucht, die nicht nach den üblichen Einheiten Buch, Werk, Autor
gegliedert sind, sieht sich Einwänden ausgeliefert, die diesen Fragestellungen
entspringen. Allerdings, so sucht er sich zu rechtfertigen, liege ihm
unter Verwendung eines Autorennamens wie Marx nicht daran, Person oder
Gesamtwerk zu beschreiben, sondern Regeln zu finden, mit denen genannte
Autoren eine bestimmte Zahl von Begriffen oder theoretische Einheiten
gebildet hatten. Für das Auftauchen völlig verschiedener Autoren
in einem Zusammenhang macht Foucault nicht den Versuch, einer Familliengründung
sondern vieleher die Suche nach den Funktionsbedingungen bestimmter Praktiken
als Argument geltend. (Bleibt die Frage, ob für eine Art Diskursanalyse
nicht gänzlich auf Autorennamen verzichtet werden kann und wenn,
ob diese nicht einer vorherigen Definition unterzogen werden müssten).
Wie bereits erwähnt, ist Foucault - im Gegensatz zu Barthes - nicht
bereit, den Begriff von Schrift und Text unabhängig der Frage nach
dem Autor zu untersuchen. Im Schreiben steht ein “Zeichenspiel auf
dem Spiel, das sich weniger nach seinem bedeuteten Inhalt als nach dem
Wesen des Bedeutenden richtet”, welches aber zugleich auch immer
unterminiert wird, in dem diese Spielregel umgekehrt wird: “Das
Schreiben entwickelt sich wie ein Spiel, das zwangsläufig seine Regeln
überschreitet und so nach außen tritt”. Es handelt sich
beim Schreiben, will man Foucault folgen, nicht um die Fixierung eines
Stoffes (sujets) im Sprechen, sondern um eine Öffnung eines “Raumes”,
in dem das schreibende Subjekt immer wieder verschwindet.
Um das Verschwinden des Autors dreht es sich in besonderer Weise bei der
Betrachtung der Verwandtschaft von Schreiben und Tod. Ging es in den Erzählungen
Scheherazades noch darum, zu erzählen um die Frist hinauszuschieben
und dem Tod auszuweichen, wird der neuzeitliche Autor Opfer einer Auslöschung
im Werkbegriff selbst. Und weiter noch: Je mehr der Autor tot ist, desto
eher lebt sein Werk - was bereits als Reflexion in Platons Gegenüberstellung
von toter Schrift und lebendiger Stimme anklingt.
Was aber ist ein Werk? Aus welchen Elementen besteht es? Ist ein Werk
nicht das, was der geschrieben hat, der Autor ist? Oder umgekehrt: wenn
nicht ein Individuum Autor wäre, könnte man dann trotzem noch
von einem Werk sprechen? Wäre zur Verdeutlichung also Sade kein Autor,
was wären dann seine im Gefängnis vollgekritzelten Papierrollen?
Und weiter: ist all das, was das “Individuum” hinterlassen
hat, Teil seines Werkes? Doch wo sollte die Grenze zu ziehen sein, wenn
im Werk neben Unveröffentlichtem, Entwurfsfassungen und Aporismen
plötzlich Wäschereirechnungen, Tagebuchnotizen und Rendezvous-Termineintragungen
auftauchen? Wie kann also aus den millionen Spuren, die jemand hinterlässt,
ein Werk bestimmen? Verzichtet man wie Barthes nur auf den Autor, stellt
die Schrift den Werkbegriff und darüberhinaus die Individualität
des Autors in Frage. So scheint sich der bloße Rückzug auf
das Schreiben einem Verschwinden des auktiorialen zu versprerren: “sofern
man nämlich dem Schreiben ein ursprüngliches Statut zuweist,
so ist das wohl nur eine Art, einerseits die theologische Behauptung vom
geheiligten Charakter des Geschriebenen und andererseits die kritische
Behauptung eseines schöpferischen Charakters ins Transzendentale
rückzuübersetzen” - denn das woher des Geschriebenen liese
sich nur wieder in transzendentalen Begriffen eines letzten, unteilbaren
Grundes beschreiben. Foucault zufolge laufen daher Begriffe wie Werk und
Schreiben immer Gefahr, im Dienste des Autors dessen Privilegien a priori
zu bewahren und dessen Verschwinden einer transzendentalen Blockade zu
unterwerfen.
“Gibt es nicht eine augenblicklich wichtige Trennungslinie zwischen
denen, die immer noch glauben, die Brüche des Heute in der historisch-transzendentalen
Tradition des 19. Jahrhunderts begreifen zu können, und denen, die
sich davon endgültig zu befreien suchen?”
Sich also lediglich auf die ecriture und das Verschwinden des Autors zu
berufen, reicht offensichtlich nicht aus, den freigewordenen “Raum”,
die entstandenen Brüche, Risse und Lücken ausfindig zu machen,
die der Tod des Autors hinterlässt. Beginnen wir also mit der Untersuchung
der Bestandteile. Was bedeutet zB der Autorname und wie funktioniert er?
Ist er Eigenname, so funktioniert er wie ein Hinweis, oder mehr noch,
wie ein Äquivalent für eine Beschreibung: “Sagt man “Aristoteles”,
so verwendet man ein Wort, das Äquivalent für eine Beschreibung
ist, etwa von der Art: Der Autor der “Analytischen Schriften”
u.dergl.” Der Eigenname verhält sich jedoch kontrair zum Autorennamen
dort, wo er aufgrund eines Truges, zB bei der Aufklärung darüber,
daß ein bestimmter Text doch nicht von Aristoteles stamme, die Bedeutung
nicht ändert. Dh “die Verbindung des Eigennamens mit dem benannten
Individuum und die Verbindung des Autornamens mit dem, was er benennt,
sind nicht isomorph und funktionieren nicht in gleicher Weise.”
Und Foucault lässt es an Beispielen nicht fehlen: “Wenn ich
zum Beispiel merke, daß Pierre Dupont keine blauen Augen hat oder
nicht in Paris geboren ist etc, so bleibt es doch dabei, daß dieser
Name Pierre Dupont, sich immer noch auf die “gleiche Person”
bezieht, der Bezeichnungsbezug ändert sich nicht. [...] wenn man
aber bewiese, daß Shakespeare nicht in dem und dem Haus geboren
wurde und mehr noch, daß er nicht die Sonette geschrieben hat, die
man für die seinen hält, so wäre das eine Veränderung
anderer Art: sie zieht das Funktionieren des Autornamens in Mitleidenschaft.”
Der Autorname ist also nicht nur allein Eigenname.
Mit dem Autornamen besteht also die Möglichkeit, ihn als diskursives
Element einer klassifikatorischen Funktion anzuhängen, in der Texte
gruppiert, abgegrenzt, ausgeschlossen oder auch nur gegenübergestellt
werden können. Das weist darauf hin, daß mit dem Autorennamen
in und zwischen den Texten eine Art “Homogenitäts- oder Filiations-
oder Beglaubigungsverhältnis der einen durch die anderen” hergestellt
werden soll, da der Autorname in bestimmter Weise den Diskurs kennzeichnen
soll - was soviel heisst, als daß der Diskurs, die Rede u.dergl.
nicht aus alltäglichen, belanglosen Worten besteht, sondern in bestimmter,
kulturgebundener Weise rezipiert werden soll. Aus diesem Grunde werden
schliesslich nichtssagende Vorträge, Referate und Reden mit Namen
angereichert, in deren Verweis das Nicht-Gesagte Gültigkeit erhalten
soll. In dieser Funktion verdeutlicht der Autorname Aspekte gewisser Diskurse
und bezieht sich auf die Satzung dieses Diskurses in einer bestimmten
Gesellschaft und/oder Kultur. Dabei gibt es in einer Kultur wie der unserigen
eine bestimmte Anzahl von Diskursen, die an die Funktion “Autor”
geknüpft sind, während andere nicht diese Funktion innehaben:
“Ein Privatbrief kann einen Schreiber haben, er hat aber keinen
Autor, ein Vertrag kan wohl einen Bürgen haben, aber keinen Autor.
Ein anonymer Text, den man an einer Hauswand liest, wird einen Verfasser
haben, aber keinen Autor.”
Soweit zur Funktion des Autornamens. Wie aber bestimmt sich ein Diskurs,
der widerum Träger der Funktion Autor ist? Sofern gemäß
Foucault die Rede nie Produkt, Sache oder Gut sondern immer nur Akt zwischen
Heiligem und Profanen, zwischen Erlaubtem und Verbotenem etc war, ersetzte
die Literatur im auktorialen Diskurs den Akt durch die Gesetzlichkeit
der Eigentumsverhältnisse von Autorenrecht, Widergaberecht, Rechten
zwischen Autoren und Verlegern u.dergl. Die “Gefahr” in der
Bipolarität des Sprechens unterzog sich darin einer Wandlung zum
Diskurs der Judikative.
Zweitens gilt die Funktion “Autor” nicht überall und
ständig für alle Diskurse. Während mittelalterliche Texte
über Kosmologie, Medizin, Geographie nur dann Wahrheitswert hatten,
wenn sie durch den Namen des Autors gekennzeichnet waren, begann man im
17 und 18 Jahrhundert wissenschaftliche Texte um ihrer selbst willen und
in der Anonymität einer feststehenden Wahrheit zu aktzeptieren. Umgekehrt
verhält es sich mit literarischen Texten und fehlt heute ein Autorname,
beginnt “sofort das Spiel der Autorsuche”.
Drittens formiert sich die Funktion des Autors in einer komplizierten
Operation der Zuschreibung und Projektion: “im Individuum soll es
einen tiefen Drang geben, schöpferische Kraft, einen Entwurf und
das soll der Ursprungsort des Schreibens sein, tatsächlich aber ist
das, was man an einem Individuum als Autor beszeichnet, nur die mehr bis
minder psychologisierende Projektion der Behandlung, die man Texten angedeihen
lässt, der Annäherungen, die man vornimmt, der Merkmale, die
man für erheblich hält, der Kontinuitäten, die man ulässt,
oder der Ausschlüsse, die man macht.” Obglich die Autoren-Konstruktionen
der unterschiedlichen Diskurs -Typen durch die Geschichte hindurch unterschiedlich
ausfielen, lässt sich gemäß Foucault eine “gewisse
Invarianz religiöser Regeln der Autor-Konstruktion” aufzeigen.
Bereits um 370 nach Chr. führt Hyronimus vier Kriterien zur Unterscheidung
auktorialer Phänomene an, die auch heute noch als “Glaubwürdigkeits
Indizien” herhalten müssen. So konstatiert Hyronimus: Ist unter
mehreren Werken eines schlechter als das andere, so ist es aus dem Werkkatalog
zu streichen (Indiz: konstantes Wertniveau). Widersprechen sich Werke
ein und desselben Autors, so ist eines davon zu streichen (Indiz: begifflich
theoretischer Zusammenhang). Sind Werke in unterschiedlichem und ungewöhnlichem
Stil verfasst, so müssen diese ausgeschlossen werden (Indiz: stilistische
Einheit) und schliesslich müssen Werke als “falsch” angesehen
werden, die erst nach dem Tod des Autors bekannt werden (Indiz: zeitliche
Kohärenz).
Viertens vollzieht sich die Funktion “Autor” in einer Reihe
von Zeichen, die auf den Autor verweisen: Dazu sind die Personalpronomen,
die Adverben der Zeit und des Ortes, die Konjugationen zu zählen.
In Diskursen ohne Autorfunktion verweisen solche grammatische Spezifika
auf den realen Sprecher und die raum-zeitlichen Koordinaten des Diskurses.
In Diskursen mit Autorfunktion verweisen Personalpronomina allerdings
nie genau auf den Schriftsteller - weder auf den Augenblick, in dem er
schreibt, noch auf die Schreibgeste - sondern auf ein alter ego, “dessen
Distanz zum Schriftsteller verschieden groß sein kann.”
Es wäre Foucault zufolge also “ebenso falsch, wollte man den
Autor beim wirklichen Schriftsteller oder auch beim fiktionalen Sprecher
suchen: Die Funktion Autor vollzieht sich gearde in diesem Bruch - in
dieser Trennung und dieser variablen Distanz.”
Zusammenfassend sei also festzuhalten, daß die Funktion “Autor”
an das Rechts- und Staatssystem gebunden bleibt, das den Diskurs des “Autors”
einschliesst, determiniert und ausdrückt. Zweitens, daß er
nicht einheitlich und gleichmäßig auf alle Diskurse zu allen
Zeiten in allen Kulturformen wirkt. Drittens, daß sich der “Autor”
nicht einfach dadurch definieren lässt, indem man spontan einen Diskurs
einem Produzenten zuschreibt, weil dazu eine Reihe spezifischer und komplexer
Operationen innerhalb des Diskurses notwendig sind und viertens, daß
der “Autor” nicht einfach nur auf ein reales Individuum verweist,
sondern sich auch gleichzeitig in mehreren Egos disseminieren oder von
verschiedenen Gruppen von Individuuen besetzt werden kann (Bsp Leser-Ich,
Schreiber-Ich, Erzähler-Ich).
Foucault zu unterstellen, er habe die Untersuchung der Funktion Autor
allzu eng am Begriff des Schreibens und des Textes entwickelt, träfe
allerdings nicht den Kern seiner Absicht. Foucault verweist darauf, daß
gerade in der strukturellen Ordnung des Diskurses sich nicht mehr nur
der Autor eines Buches findet, sondern sich auch der Autor einer Theorie,
Tradition oder eines Fachs, in denen dann andere “Autoren”
ihren Platz finden können. Gemäß Foucault befinden sich
diese Autoren in einer “transdiskursiven” Position, die mit
der, der Begründern von Wissenschaften, der großer literarischer
Autoren und Autoren von religiösen Texten nicht verwechselt werden
dürfen. Als Diskursivitätsbegründer sind sie nicht nur
Autoren von “Werken” sondern eröffnen Möglichkeiten
und Bildungsgesetze für andere Texte. In diesem Sinne sind sie ganz
anders als zum Beispiel - wenn auch bedeutende - Romanautoren, die im
Grunde immer nur Autor ihrer Texte bleiben, dem andere Autoren auf dem
Terrain bestimmter Ähnlichkeiten und Analogien bleiben und die ihr
Modell oder Prinzip von eben diesen “Texten” wiederholen.
Als Beispiel lässt sich die Entstehung des Genres “Romantischer
Schauerroman” ausgehend vom Werk Mary Wollstonecraft Shelleys und
Ann Radcliffe verfolgen. Diskursivitätsbegründer wie Freud oder
Marx hingegen haben mit ihren Werken “Traumdeutung” und “Manifest”
nicht mehr nur eine gewisse Zahl von Analogien ermöglicht, sondern
eine Reihe von Unterscheidungen, die Raum geben für etwas anderes,
als sie selbst - und dennoch zu dem gehört, was sie begründet
haben. “Sagt man, daß Freud die Psychoanalyse begründet
hat, heisst das nicht, daß man die Konstruktion der Libido u.dergl.
bei verschiedenen nachfolgenden Autoren wiederfindet, sondern daß
Freud eine Reihe von Unterschieden ermöglichte, verglichen mit seinen
Texten, seinen Begriffen und seinen Hypothesen, die alle aus dem psychoanalytischen
Diskurs stammen.” Dh also auch, daß sich diese Unterscheidungsmöglichkeiten
in der Reflexion auch rückwirkend auf schon Vorhandenes auswirken
können.
Das bedeutet auch, daß Gesetzmäßigkeiten, die die Wissenschaft
Newton und Gallilei zu verdanken hat, immer Teil späterer Transformationen
werden, während die Begründung eines Diskurses “notwendigerweise
später ausscheidet oder eben diese Transformationen weiterhin überragt”.
Mit anderen Worten fasst Foucault zusammen, daß das Werk dieser
Begründer nicht in Bezug zur Wissenschaft und nicht den Raum, den
sie umreist, sondern die Wissenschaft oder die Diskursivität beziehen
sich auf das Werk ihrer Begründer wie auf primäre Koordinaten.”
So wird auch die Funktion des Autors klarer, die zu Beginn im Modus der
“Rückkehr auf” zur Disposition stand. Die Rückkehr
unterscheidet sich hierbei von der Wiederentdeckung oder Reaktualisierung
insofern, als letztere die Funktionen der Eingliederung des Begründungsaktes
in die Transformation beschreiben, während sich die Rückkehr
nur von einem Vergessen her erklären lässt, das der Diskursbegründung
wesentlich zu sein scheint: “Denn das, was sie wieder in Erscheinung
bringt und das, was sich aus ihr herleitet, ist zugleich das, was die
Abweichung von ihr begründet und sie maskiert.” Das Vergessen
gehört hierbei zu der in Frage stehenden Diskursivität. Die
ständig widerholende Versicherung aber auch die ständig widerholende
Infragestellung des bereits vorhandenen lassen die Rückkehr selbst
zum Diskurs werden, und nicht nur zum bloß “historisierenden
Ausflug”.
Foucaults Versuch zur Determination der Frage “Was ein Autor sei”
zielt auf zwei Feststellungen: Erstens könnte aus dem Diskurs des
Autors eine allgemeine Typologie der Diskurse erwachsen, denn sie würde
nicht nur ausgehen von grammatischen Merkmalen, formaler Strukturen oder
ihren “Gegenständen”, sondern auf Relationen (zB zwischen
Verfasser und Text) die nicht auf Regeln der Grammatik oder Logik gründen.
“Der Bezug bzw der Nicht-Bezug zu einem Autor und die verschiedenen
Formen dieses Bezuges bilden -recht sichtbar - eines der diskursiven Merkmale.”
Darüberhinaus stellt sich hier die Frage, unter welchen Bedingungen
und in welchen Formen “so etwas wie Stoff im Diskurs” erscheinen
kann. Damit verschärft Foucault die Frage nach dem Stoff, der ehedem
dem Autor eigen war. “Es geht darum, dem Stoff seine Rolle ursprünglicher
Begründung zu nehemn und ihn als veriable und komplexe Funktion des
Diskurses zu analysieren.”
Zweitens zeigt sich in Foucaults Herleitung eines Begriffs von Autorschaft,
daß sich die Autorfunktion durchaus nicht als unendliche Quelle
an Bedeutungen, die ein Werk zu füllen im Stande ist, begreifen lässt.
Der Autor geht dem Werk nicht voran, er ist ein bestimmtes Funktionsprinzip,
mit dem in unserer Kultur eingeschränkt, ausgeschlossen und ausgewählt
wird - kurzum: mit dem die “freie” Zirkulation, die “freie”
Komposition, Dkomposition udn Rekomposition von Fiktion behindert. “
Wenn wir gewöhnt sind, den Autor als Genie, als unendliche Bedeutungsflut
darzustellen (Kunst -Analytik des Schönen; Kant), dann geschieht
dies in Wahrheit eigentlich deshalb, weil wir ihn in genau der entgegengesetzten
Weise funktionieren lassen. Man kann dann sagen, daß der Autor ein
ideologisches Produkt ist.”
Texte zur Theorie der Autorschaft, Reclam Stuttgart 2000, S.198-229
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Inhaltliche Analyse
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› Rosen (Henker & Schulze 1993)
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Sticher 1997)
Gestein (Wimmenauer, 1985)
Insekten
Person
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Mythen
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Film-/Kunsthistorische
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"the six-minute drown", 1977
Déja vù
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Autor
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