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Sarah Niehues
Wir schalten um zu den Teletubbies -
Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein: Videokunst in der U-Bahn

Die Welt - Feuilleton
16.3.2001

 

Neulich am Bahnsteig im Bahnhof Jungfernstieg. Die U1 fährt ein, eine Menschentraube drückt sich in die Wagons, verteilt sich auf die Plastikbänke, verkriecht sich hinter Zeitungen. Über den Bänken hängen Monitore, über die Monitore flimmern bunte Bilder. Nachrichten, Comics, Werbung. Seit Anfang des Monats aber auch Kunst.

Zunächst aber kommt: das Wetter. Danach die neueste Modekollektion, dann ein Comicstreifen, anschließend Neues vom Sport und Angebote eines Sonnenstudios. Zwei Handpuppen rücken ins Bild, die eine greift der anderen in den Rachen, zieht eine schlangenähnliche Pappzunge heraus, in die sie eine Glühbirne einsetzt. Die Lettern "Wuul" flimmern über den Schirm, Schnitt.

Welches Produkt gehörte wohl zu dem Handpuppen-Spot? Wirbt hier ein neuer Stromanbieter? Ein Kindertheater? Plötzlich fällt bei dem informierten Betrachter der Groschen: Das muss die Kunst gewesen sein! Ob das jemand bemerkt hat? Der Mann gegenüber nicht, der hat die Augen geschlossen. Er genießt einen Traum - ohne Werbeblöcke, das hoffen wir. Die Dame eine Bank weiter gesteht, dass sie die Videokunst in der Bahn noch gar nicht bemerkt habe: "Man sieht schon viel dran vorbei", sagt sie. Zum Trost fügt sie hinzu: "Aber ich glaube schon, dass es Leute gibt, denen so etwas auffällt."

Reaktionen auf ihr Kunstprojekt seien bisher noch nicht eingetroffen. "Leider", seufzt Romeo Grünfelder; er gehört zur Gruppe "Locomotion", die sich aus Studenten und Ehemaligen der Hochschule für bildende Kunst zusammensetzt. Die macht für ihren Misserfolg die Sendefrequenzen verantwortlich. Drei Spots pro halbe Stunde laufen jetzt, man verhandelt über das Doppelte.

In der Zwischenzeit erläutert Herr Grünfelder das Selbstverständnis der Projektgruppe: Die Beiträge, die bis zu dreißig Sekunden lang sind, seien als "eigenständige Aktion" aus einem "studentischen Verlangen" heraus entstanden, denn an der Hochschule gebe es kaum Möglichkeiten, mit digitalen Medien zu arbeiten. Thematisch gehe es um "Unschärfen zwischen und in Ort und Bewegung", darüber hinaus verfolge man eine "Bewegungsstrategie". Man befinde sich mit der digitalen Kunst in der Ortlosigkeit, denn wenn das Bild ankomme, sei es schon nicht mehr da. Aha.

"Das ist die weltweit erste Ausstellung dieser Art", steht auf der Internetseite, die Romeo Grünfelder und seine Kollegen eingerichtet haben. Nun ist die Idee, Kunst in der U-Bahn zu machen, eigentlich nichts Neues: Bei der Jazzwoche spielten im vergangenen November Bands in der U3, in Berlin wurden Filmprojektoren in die Tunnel gebaut, und auf den Monitoren in Münchner U-Bahnstationen lief vor kurzem die zweite Kurzfilmstaffel der dortigen Akademie der Künste. Das Neue sei aber, dass die Filme in den Wagons laufen, wendet Grünfelder ein: Das sei eine ganz andere Situation.

In der nächsten Staffel könnten die Filmkünstler ja die Beobachtung eines Bahnnutzers beherzigen: "Kinder achten sehr auf die Monitore." Für sie ließe sich bestimmt schöne ortlose Digitalkunst schöpfen: diesmal vielleicht mit ästhetischen Anleihen bei den Teletubbies.