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[...] In der Kunstpädagogik wird die Unbestimmtheit,
das Fehlen von Fixpunkten, bereits diskutiert. Doch wie darauf
reagieren, dass die Dinge in Bewegung sind? Keinesfalls kann
dies darin bestehen, künstlich Fixpunkte zu schaffen
oder Dinge einfach festzuhalten. Dies würde bedeuten,
scheinbar unhintergehbare Fakten aufzubauen und ein eindrucksvolles
Theoriegebäude zu errichten, das in Wirklichkeit leicht
zu erschüttern ist. Auch kann dies keinesfalls mit Vermittlungsstrategien
geschehen, die ihre Ergebnisse bereits im Vorfeld festlegen,
keinesfalls durch eine Art Rezeptbuch-Kunstpädagogik,
die für bestimmte Lernziele bestimmte Methoden vorschreibt.
Eine verantwortliche und weitertragende Kunstpädagogik
würde eher auf das eigene Navigieren ihres Klientels
setzen. In den scheinbar unendlichen bzw. unbestimmten Weiten
würde sie für ein nomadisches, aus der inneren und
äußeren Bewegung erwachsendes Sich-Orientieren
plädieren.
„...Lichterscheinungen und für das, wo möglicherweise
irgendjemand...“ „...ist die Gravitation zu beeinflussen
oder herzustellen, denn...“ „nun, Quantengravitations-Projektionsflächen
theorien, einheitliche Feldtheorien...“ Diese Worte
tönen in einem Hörsaal der Justus-Liebig-Universität
aus den Lautsprechern. Im Rahmen des Festival-Vortragsprogramms
sehe und höre ich Romeo Grünfelders Filmarbeit „Illobrand
von Ludwiger – Porträt eines UFOForschers“
(Abb. 3). In ihr trifft eine seltsame Mischung von Stimmen
und Aussagen zusammen. Denn während ein älterer,
sympathisch seriöser Mann einen schier endlosen physikalischen
Monolog hält, tauchen andere Monologe und gleichzeitig
andere Bilder in seinem Bild auf. Fenster öffnen sich
mit Filmausschnitten von einer Fronleichnamsprozession, Urlaubsvideos,
3D-Animationen. Und Ludwiger redet weiter: „ Im Sechsdimensionalen
verschwinden bei einer bestimmten Bedingung alle drei Raumausrichtungen,
das heißt das Objekt ist nicht mehr da, es ist zu einer
reinen Struktur, Idee oder Bild geworden. Und nun ist es interessant,
dass man sagen kann, vielleicht gelingt es uns später
einmal, uns aus dem Raum herauszudrehen oder herauszuprojizieren
und dann an einer anderen Position, vielleicht Lichtjahre
entfernt, wieder hineinzuprojizieren.“ Ein 3D-animierter
Dinosaurier tritt ins Bild, spuckt Feuer und verschwindet
wieder. Es scheint, dass die Strukturen wesentlich sind. Die
Inhalte in kunstpädagogischen Prozessen, so möchte
ich annehmen, sind höchst subjektiv, sie sind objektiv
unbestimmt und auf jeden Fall unabsehbar.
In kunstpädagogischen Bildungsprozessen sind sie nicht
vorzugeben, sondern erwachsen im besten Fall individuell aus
den Prozessen. Entscheidend aber ist, in welchem Rahmen diese
Prozesse ablaufen, welche Rahmenbedingungen sie bestimmen,
welches Setting ihnen zugrunde liegt. Hier müsste wiederum
eine zeitgemäße Kunstpädagogik ansetzen. Sie
müsste ein Setting schaffen, in dem Bewegung möglich
ist, in dem Sprünge in andere Dimensionen erlaubt und
möglich sind und in dem ein Nomadentum vorstellbar und
wünschenswert wird, beides in seinen zwei wesentlichen
Elementen: als freies Gehen und als Suchen nach einem idealen
Ort. [...]
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