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Fabian Hofmann
Projektionsflächen - Verlassen Sie den Raum?!
Spiegel der Forschung
21. Jg./Nr. 1/2
November 2004
S.68-73

Von kunstpädagogischer Bewegung und Orten der Kunst
Bericht über das Kunstfestival in Giessen

 

[...] In der Kunstpädagogik wird die Unbestimmtheit, das Fehlen von Fixpunkten, bereits diskutiert. Doch wie darauf reagieren, dass die Dinge in Bewegung sind? Keinesfalls kann dies darin bestehen, künstlich Fixpunkte zu schaffen oder Dinge einfach festzuhalten. Dies würde bedeuten, scheinbar unhintergehbare Fakten aufzubauen und ein eindrucksvolles Theoriegebäude zu errichten, das in Wirklichkeit leicht zu erschüttern ist. Auch kann dies keinesfalls mit Vermittlungsstrategien geschehen, die ihre Ergebnisse bereits im Vorfeld festlegen, keinesfalls durch eine Art Rezeptbuch-Kunstpädagogik, die für bestimmte Lernziele bestimmte Methoden vorschreibt. Eine verantwortliche und weitertragende Kunstpädagogik würde eher auf das eigene Navigieren ihres Klientels setzen. In den scheinbar unendlichen bzw. unbestimmten Weiten würde sie für ein nomadisches, aus der inneren und äußeren Bewegung erwachsendes Sich-Orientieren plädieren.

„...Lichterscheinungen und für das, wo möglicherweise irgendjemand...“ „...ist die Gravitation zu beeinflussen oder herzustellen, denn...“ „nun, Quantengravitations-Projektionsflächen theorien, einheitliche Feldtheorien...“ Diese Worte tönen in einem Hörsaal der Justus-Liebig-Universität aus den Lautsprechern. Im Rahmen des Festival-Vortragsprogramms sehe und höre ich Romeo Grünfelders Filmarbeit „Illobrand von Ludwiger – Porträt eines UFOForschers“ (Abb. 3). In ihr trifft eine seltsame Mischung von Stimmen und Aussagen zusammen. Denn während ein älterer, sympathisch seriöser Mann einen schier endlosen physikalischen Monolog hält, tauchen andere Monologe und gleichzeitig andere Bilder in seinem Bild auf. Fenster öffnen sich mit Filmausschnitten von einer Fronleichnamsprozession, Urlaubsvideos, 3D-Animationen. Und Ludwiger redet weiter: „ Im Sechsdimensionalen verschwinden bei einer bestimmten Bedingung alle drei Raumausrichtungen, das heißt das Objekt ist nicht mehr da, es ist zu einer reinen Struktur, Idee oder Bild geworden. Und nun ist es interessant, dass man sagen kann, vielleicht gelingt es uns später einmal, uns aus dem Raum herauszudrehen oder herauszuprojizieren und dann an einer anderen Position, vielleicht Lichtjahre entfernt, wieder hineinzuprojizieren.“ Ein 3D-animierter Dinosaurier tritt ins Bild, spuckt Feuer und verschwindet wieder. Es scheint, dass die Strukturen wesentlich sind. Die Inhalte in kunstpädagogischen Prozessen, so möchte ich annehmen, sind höchst subjektiv, sie sind objektiv unbestimmt und auf jeden Fall unabsehbar.

In kunstpädagogischen Bildungsprozessen sind sie nicht vorzugeben, sondern erwachsen im besten Fall individuell aus den Prozessen. Entscheidend aber ist, in welchem Rahmen diese Prozesse ablaufen, welche Rahmenbedingungen sie bestimmen, welches Setting ihnen zugrunde liegt. Hier müsste wiederum eine zeitgemäße Kunstpädagogik ansetzen. Sie müsste ein Setting schaffen, in dem Bewegung möglich ist, in dem Sprünge in andere Dimensionen erlaubt und möglich sind und in dem ein Nomadentum vorstellbar und wünschenswert wird, beides in seinen zwei wesentlichen Elementen: als freies Gehen und als Suchen nach einem idealen Ort. [...]