Romeo Grünfelder | Aktuell | Projekte | Archiv | Kontakt | blog
E | D

Susanne Brem
Ich bin weder Künstler, noch bin ich kreativ
Limmataler Tageblatt
27.4.2004

Schlieren: Romeo Grünfelder oder die Auseinandersetzung mit dem Raum und seinen sechs Dimensionen

 

Der Mann heisst Romeo Grünfelder. Er ist interessiert an Un-Dingen, befasst sich mit transmedialen Erscheinungen, Ufologie und Parapsychologie. Und zurzeit bewohnt er auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Zürcher Bildhauer (AZB) ein Gastatelier im "Gasi" Schlieren.

Seit kurzem gewährt die AZB auch ausländischen Künstlern ihr Gastrecht. Romeo Grünfelder aus Deutschland ist der erste, dem dieses Gastrecht zuteil wurde. Doch nun behauptet dieser Mann von sich steif und fest, er sei weder ein Künstler, noch sei er kreativ. Was soll das? Hier der Versuch eines Portraits.

Romeo Grünfelders Atelier ist weitgehend leer. Keine Skulptur, die am Entstehen ist, keine Plastik, die bearbeitet wird. Das befremdet. Kisten mit Schallplatten, Videotapes und CD-Rom stehen herum, ein einfacher Schreibtisch mit Computer und Laptop. Das ist alles.
Eigentlich suchte sich die AZB einen raumschaffenden Künstler, einer der dreidimensional arbeitet. Romeo Grünfelder dagegen setzt sich auseinander mit "räumlichen Phänomenen" schlechthin. Wenn er etwas kreiert, dann ist es ein Gedankenkonstrukt in seinem eigenen Kopf. Das nennt er dann den "Seelenschrott seines Denkorgans". Er sagt von sich, er sei nicht "Raum schaffend", Raum schaffen könne nur der liebe Gott.

Den Bürokratien zum Trotz

Romeo Grünfelder ist 1968 in Mutlangen (D) geboren. In Schwäbisch Gmünd, in der Nähe von Stuttgart, nach seinem gymnasialen Schulabschluss absolvierte er zunächst eine Lehre als Tischler. Nach 18-monatigem Zivildienst zog er schliesslich nach Hamburg um zu studieren. Kunst und Musik haben es ihm schon während seiner Schulzeit angetan, und schon damals fragte er sich, weshalb er nicht beide Kurse bleichzeitig belegen konnte. Jetzt wollte er das nachholen. Allen Bürokratien zum Trotz schreibt er sich in Hamburg für zwei Studienrichtungen ein. Nach dem Motto: "Wenn einer schon gleichzeigit Mathematik und Pyhsik studieren kann, weshalb sollte ich denn nicht zur gleichen Zeit Musik und Kunst studieren?" Fortan widmet er sich an der Kunsthochschule Hamburg der visuellen Kommunikation und an der Musikhochschule der klassischen Gitarre. Doppelte Anforderungen, zwei Stundenpläne? Auf die Frage, wie man das durchziehen kann, antwortet er: "Entweder setzt man die doppelte Power ein, um ans Ziel zu kommen, oder man schleppt sich an beiden Orten nur noch mit halber Kraft durch" Er sagt, bei ihm hätten die beiden Zustände abgewechselt. Wenn an beiden Orten Projektarbeiten anstanden, sei es manchmal schon hart gewesen. Fünf Jahre lang zog er das durch.
Danach wurde er an der Hochschule für Bildende Künste wissenschaftlicher Assistent für Medienphilopsophie bei Dr. Hans Joachim Lenger und anfänglich auch für Wim Wenders. Er arbeitete mit an diversen Filmprojekten. Es entstanden verschiedenste Kurzfilme wie Jimmy Jenseits, Der blonde Engel oder beispielsweise ein 13minütiger Streifen Ohne Titel, eine Videoperformance über Ufologie. Es handelte sich dabei um das "kubo-futuristische Portrait des Physikers Illobrand von Ludiwger udn dessen transzendentalen Imagination der sechsdimenstionalen einheitlichen Quantefeldtheorie im Horizont seriöser Ufoforschung".

Es ging um eine wissenschaftliche Erfassung und Dokumentation von Erscheinungen unbekannter Flugobjekte. Es ginge nicht darum, ob Ufos tatsächlich existierten oder nicht. Ob Fake oder nicht sei nicht wichtig. Es ginge um die Fragestellungen dahinter. Fast nebenbei, als wäre es nichts besonderes, räumt Grünfelder ein: "Stören Sie sich bitte nicht an den sechs Dimensionen".

Anhäufung von messbaren Punkten

Ebenso beiläufig erwähnt er, daß ihm diese Filmchen gar nicht so wichtig seien. Viel wichtiger scheinen ihm diese Gedankengaänge in seinem Kopf. Die Auseinandersetzung mit dem Raum per se. Ihm geht es um den Raum nicht als eine Aneinanderreihung von messbaren Punkten sondern um die Unterscheidung von Schnittstellen, die einen Ablauf im Raum erst ermöglichen. Und um deren Wahrnehmbarkeiten. Immer wieder zieht er Quervergleiche zur Kunst. Immer wieder taucht im Gespräch die Frage auf, "was ist überhaupt Kunst?" Ab wann wird ein scheinbar gewöhnlicher Hocker zu Kunst. Oder anders: Ist ein Hocker, der von einem gewöhnlichen Handwerkerlehrling gefertigt wird, auch Kunst? Ist dann jeder Handwerker ein Künstler?

Nach zweistündigem Interview ist es Grünfelder nicht gelungen, dieses sein Gedankenkonstrukt der Zuhörerin plausibel darzulegen. Es bleiben Fragmente. SEi es drum: dieser Mann behauptet also von sich, er sei weder ein kreativer Mann noch ein bildender Künstler. Trotzdem erhält er ein Kunststipendium. Und welche Arbeit präsentiert er der AZB am Ende seines sechsmonatigen Gastaufenthaltes? Auch diese Frage kann der Mann nicht wirklich schlüssig beantworten: "Vielleicht wieder eine Performance", sagt er.

Neue Perspektiven durch Müssigang

Severin Müller, einer der 15 kunstschaffenden Bildhauer im Gaswerkareal, war damals selber Mitglied in der Jury, erklärt, weshalb er sich damals für Grünfelder entschieden hatte. Er habe diesen Mann anlässlich einer Performance kennengelernt, in einer Galerie in Zürich, sagt Müller. "Das war an einem 4.Juni. Er hatte einen Film laufen lassen und er hatte einen seltsamen Vortrag gehalten über die Unabhängigkeit in Amerika", erinnert er sich. "Romeo Grünfelder ist jemand, der sich querstellt", sagt er weiter. Und das sei gut so. "Wir vom AZB haben zu tun mit grossen, schweren Dingen" Grünfelder bringe durch die Betrachtung aus seiner Warte neue Impulse, so Müller weister. Grünfelder sei hochbegabt, sagt Müller, "er stimmt uns nachdenklich". Deshalb sei die Wahl für ihn die richtige gewesen. Und die Stipendiengelder? Die seien ähnlich wie in der Forschung. "Grünfelder hat keine Verpflichtung uns gegenüber" Es reiche die Auseinandersetzung mti ihm. Und vielleicht sei es ja gerade sein Müssiggang, der ihnen als Künstler neue Perspekiven eröffne.