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  • Ted Serios. Serien
    Autor: Romeo Grünfelder (Hrsg.)
    Genre: Gedankenfotografie
    Verlag: Textem Verlag
    Erscheinungsdatum: 24. September 2016
    Format: Softcover
    Seiten: 564

    Beeindruckt in allen Bereichen.
    Vorweg: wer sich auf dieses Buch wirklich einlässt, begibt sich in ein Abenteuer. Er blickt einerseits aus der sicheren Entfernung von mittlerweile rund 50 vergangenen Jahren auf eine Welt und in eine Zeit zurück, die einer Mischung aus Superman-Comics, [...]

Freiheit und Wunder, Teil 2/3 – Beschwörung von Freiheit und Wunder

Wissenschaftler pflegen darüber den Kopf zu schütteln. Sie hören auf Beweise, aber sie ignorieren bloße Behauptungen. Und darin haben sie zweifellos recht: Ihr ganzer inzwischen vierhundertjähriger Erfolg beruht auf dieser Methode. Sämtliche Errungenschaften der modernen Technik, angefangen von der Dampfmaschine bis zum Computer setzen die sorgfältige Beobachtung der Natur voraus. Sie beruhen auf der Erkundung [...]

By admin

Wissenschaftler pflegen darüber den Kopf zu schütteln. Sie hören auf Beweise, aber sie ignorieren bloße Behauptungen. Und darin haben sie zweifellos recht: Ihr ganzer inzwischen vierhundertjähriger Erfolg beruht auf dieser Methode. Sämtliche Errungenschaften der modernen Technik, angefangen von der Dampfmaschine bis zum Computer setzen die sorgfältige Beobachtung der Natur voraus. Sie beruhen auf der Erkundung ihrer verborgenen Ordnung: auf Beweisen für geltende Gesetze und der Zurückweisung bloßer Behauptungen. Wer Natur und Mensch anders sieht als die Wissenschaft, muss dafür unwiderlegbare Gründe vorbringen. Andernfalls wird er im günstigsten Fall ignoriert, schlimmstenfalls rechnet man ihn voller Hohn dem Lager der Phantasten und Spinner zu, die uns die Wirklichkeit nicht erklären, sondern sie stattdessen mit ihren zerebralen Ausgeburten bevölkern. Beweis und bloße Behauptung sind für den Wissenschaftler nicht weniger weit voneinander entfernt als das moderne Zeitalter der Wissenschaften von der Vergangenheit einer Jahrtausende lang bloß fabulierenden Menschheit.

Die vorangehenden Zeilen mag der Leser als Einleitung betrachten, um ihn auf die im Titel ausgesprochene Ankündigung vorzubereiten. Ja, die Wissenschaften wollten vier Jahrhunderte lang das Leben auf Physik und Chemie reduzieren, die Freiheit aus der Natur vertreiben. Ihre philosophischen Wortführer von Spinoza über Leibniz bis hin zu Bertrand Russell glaubten, die Natur entzaubert, sie zur bloßen Maschine gemacht zu haben. Doch sie haben sich auf eine merkwürdige, in der Geistesgeschichte wohl einzigartige Weise geirrt. In Wahrheit ist Natur unter ihren Händen zum großen Geheimnis geworden. Ohne es selbst zu bemerken – ja, sich absichtlich gegen diese Einsicht sträubend – zeigen sie uns eine Natur, die ohne Freiheit prinzipiell nicht einmal denkbar ist. Und diese Befreiung der Natur führen die empirischen Wissenschaften nicht etwa beiläufig oder auf eine Weise herbei, über die man sich streiten könnte, sondern aufgrund ihres alltäglichen Vorgehens, nämlich durch die Methode des wissenschaftlichen Experiments. Mit dieser zeigen sie logisch zwingend, dass Gesetzhaftigkeit für sie nur eine Dimension des Wirklichen bildet, Freiheit aber dessen zweite fundamentale Kategorie – und zwar nicht allein die Freiheit des Menschen, sondern die der gesamten Natur. Damit widersprechen sie – wenn auch bisher ohne sich dessen bewusst zu sein – einer vierhundertjährigen Verleugnung der Freiheit.

Kein Experiment ohne die Voraussetzung der Freiheit

Die Wissenschaften der Natur zeigen Regelmäßigkeiten des uns umgehenden Geschehens auf. Diese beschreiben sie als Gesetze. So stellen sie etwa fest, dass Wasser unter normalen atmosphärischen Bedingungen stets bei hundert Grad Celsius aus dem flüssigen in den gasförmigen Zustand übergeht, oder sie beschreiben mit mathematischer Exaktheit die parabelartige Flugbahn einer abgeschossenen Kanonenkugel. Über ihre gesamte Dauer lassen sich derartige Geschehnisse gesetzmäßig beschreiben: unter gleichen Bedingungen zeigt der Verlauf in seinen einzelnen Stadien immer dieselbe Entwicklung. Die fortschreitende Erkundung derartiger gesetzhafter Gleichförmigkeiten hat Wissenschaft und Philosophie zu den vorher zitierten theoretischen Stellungnahmen geführt und dem sich daraus ergebenden Weltbild. Doch das ist nicht alles. Die Wissenschaft musste zur gleichen Zeit darauf bestehen – denn dadurch verbürgte sie die Wahrheit dieser Gesetze – dass die entsprechenden Geschehnisse jederzeit im Experiment überprüfbar seien. Mit anderen Worten, die empirische Wissenschaft behauptete nicht nur die Existenz gesetzhafter Abläufe, sondern sie musste zur gleichen Zeit darauf bestehen, dass diese Abläufe an beliebigen Orten zu beliebiger Zeit wiederholbar seien.

Mit diesem zweiten Teil ihrer Aussage über die Wirklichkeit stellt die Naturwissenschaft eine Bedingung auf, die der Notwendigkeit radikal widerspricht. Während die Kugel, einmal abgeschossen, sklavisch der Parabel und der von ihr beschriebenen Notwendigkeit folgt, gibt es für den Abschuss selbst, d.h. für den Beginn, keine Formel, keine Notwendigkeit, kein Gesetz – all dies kann es nicht geben, denn dieser Abschuss soll ja – so das Postulat der Wissenschaft – der Möglichkeit nach überall und zu jeder Zeit möglich sein. Der gesetzhafte Verlauf – die genau festgelegte Bahn einer abgeschossenen Kugel – und der willkürliche Beginn dieses Ereignisses, gehören zwei grundsätzlich unterschiedenen Dimensionen des Wirklichen an. Nur weil der Anfang des Verlaufes in völliger Freiheit erfolgt und erfolgen soll, ist es überhaupt möglich, dass die Wissenschaft Gesetze durch das Experiment zu beweisen (bzw. durch dessen Misslingen zu falsifizieren) vermag. Würde – wie Philosophen und Wissenschaftler von Spinoza über Leibniz bis zu Bertrand Russell unisono behauptet haben – alles Geschehen ausschließlich der Notwendigkeit gehorchen, so ließe sich keines der von ihr gefundenen Gesetze durch das Experiment beweisen, denn jedes regelmäßige Geschehen – wie etwa der Abschuss einer Kugel – wäre ja seinerseits das notwendige und damit gesetzmäßige Ergebnis eines vorangehenden Geschehens. So wie wir die Flugbahn der Kugel mathematisch genau beschreiben könnten, müsste es gleichfalls Gesetze geben, die genau vorauszusagen erlauben, warum nur eine Person soundso an dem Ort und zu jener bestimmten Zeit eine Kanonenkugel abschießt. Das aber wäre das Ende für das Selbstverständnis der empirischen Wissenschaften. Denn für diese ist ja – um es noch einmal zu sagen – gerade die Behauptung grundlegend, wonach jedermann zu jeder Zeit das Experiment willkürlich auslösen kann.

Damit leugnet die Wissenschaft in ihrem praktischen Vorgehen, was sie theoretisch als Dogma verficht: Sie leugnet mit aller Entschiedenheit und prinzipiell eine durchgängige Gesetzhaftigkeit der Natur. Und diese Leugnung vollzieht sie nicht etwa auf der oberflächlichen Ebene des Experiments, dessen Ergebnisse durch einen späteren Versuch immer noch annulliert (falsifiziert) werden könnten, sondern auf eine weit tieferen und in der Tat fundamentalen Ebene, nämlich in ihren Voraussetzungen.

Die Wissenschaften von der Natur setzen Freiheit aber nicht allein für den Menschen voraus, der als Experimentator jederzeit aufgrund seines Wollens eine neue Kette gesetzmäßiger oder zufälliger Ereignisse lostreten kann. Sie befreien nicht nur den Menschen, sondern zwangsläufig auch die Natur. Die von Spinoza bis Heisenberg geltende Auffassung, wonach alle Geschehnisse eine Kette von Zeitpunkten bilden, wo jeweils der spätere Punkt mit Notwendigkeit auf den jeweils früheren folgt (auch wenn das nur eine vollkommene Intelligenz zu erkennen vermag), wird durch die genannte Voraussetzung ad absurdum geführt. Der Mensch würde in diese Kette nicht nach Belieben eingreifen können, wenn es nicht überall Punkte gäbe, die zwar zeitlich aufeinander folgen, aber ohne Notwendigkeit – eine andere Abfolge ist jederzeit möglich. Um es in einem Bild auszudrücken: Das Gewebe der Notwendigkeiten, die wir als Gesetze beschreiben, ist mit Lücken übersät, in die der Mensch eingreifen kann. Nur deswegen kann er seine Umwelt nach eigenen Vorstellungen auf tausenderlei Weise gestalten. Es muss sich nach den Vorgaben bestehender Gesetze richten, aber auf unendliche Art kann er diese für seine Zwecke benutzen.

Naturwissenschaften und Philosophen in ihrem Gefolge haben die Freiheit dogmatisch geleugnet. Warum sie dies taten, lässt sich unschwer begreifen. Wenn man Natur mit ihren Mitteln erklären will, setzt man die Existenz von Gesetzen voraus, will man die Natur restlos erklären, darf es in ihr ausschließlich Gesetze geben – die Anerkennung von Freiheit hätte der Erklärung von vornherein unüberwindbare Grenzen gesetzt. In diesem Sinne war die Verbannung der Freiheit aus der Natur nichts anderes als ein Machtspruch der siegreichen Wissenschaften: Seit dem 17. Jahrhundert melden diese den Anspruch auf totale Erklärung und Enträtselung an. Sie mussten daher darauf dringen, dass kein Phänomen der Natur sich der Gesetzhaftigkeit entziehe. Schon David Hume, der große englische Skeptiker, hatte Bedenken angemeldet. Wenn ein Ereignis auf ein anderes folge, könnten wir, streng genommen, nie von einer Notwendigkeit sprechen, da wir immer nur eine endliche Zahl von Vorfällen kennen. Karl Popper verwies das Kausalitätsprinzip überhaupt in das Reich der Metaphysik, also des prinzipiell Unbeweisbaren.

Doch beide Denker sind mit ihrer Kritik nicht weit genug gegangen. Denn die Annahme einer durchgängigen Gesetzhaftigkeit der Natur ist nachweisbar falsch. Sie ist nicht nur falsch, weil der Mensch nie so allwissend sein wird wie der Dämon von Laplace oder ein Quantenphysiker, der nicht darauf hoffen darf, jemals den mikroskopischen Zustand der Welt zu kennen. Sie ist falsch, weil sie das logische Fundament der Naturwissenschaften zerstört. Man kann nicht von der beliebigen – also durch keine Gesetzmäßigkeit bedingten – Wiederholbarkeit gesetzhafter Geschehen im Experiment ausgehen und zur gleichen Zeit die durchgehende Gesetzhaftigkeit der Natur postulieren. Das eine Mal wird eine Welt der Freiheit, das andere Mal eine Welt der Notwendigkeit postuliert. Wissenschaft ist erst in dem Augenblick widerspruchsfrei, wo sie beide Dimensionen als Voraussetzung ihrer eigenen Methode und Weltsicht anerkennt: die Notwendigkeit undund die Freiheit.

> Freiheit und Wunder, Teil 3 – Lücke im Gewebe der Notwendigkeiten

http://www.felderfilm.de/blog/zufall/?p=604

©14.11.2011 – Gero Jenner

http://www.gerojenner.com/portal/gerojenner.com/Freiheit_und_Wunder.html

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One Comment

  1. admin added these pithy words on 16. Oktober 2015 | Permalink

    Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anmerkungen auch an den Autor des Artikels, Gero Jenner.
    Mfg
    webmaster

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Wir sagen Zufall und meinen Synchronizität.
Andreas Tenzer, (*1954), deutscher Philosoph und Pädagoge

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